Als Encore Career wird im Nordamerikanischen die Karriere nach der Karriere bezeichnet. Die Zugabe der Karriere, wie die Zugabe bei einem Musikkonzert. Den Begriff habe ich kürzlich gelesen und ich möchte hier erklären, was damit gemeint ist, denn das (spannende) Phänomen, das dahinter steckt, beschäftigt mich schon länger.
Bevor ich damit einsteige, möchte ich jedoch von einer Situation aus meiner Berufserfahrung berichten, die sich vor maximal 2 Jahren abgespielt hat. Damals noch in meiner Rolle als Personalleiterin habe ich einen Kollegen in den Ruhestand verabschiedet. Wir kamen ins Gespräch, wie er die 20 Jahre bei dem Unternehmen erlebt hat und wie er sich den Transfer in die Rente vorstellt.
Er erzählte mir, dass in den vergangenen Jahren ihn der Job so in Anspruch genommen hat, dass er keine Zeit und Energie für die Ausübung von Interessen oder Hobbies hatte. Auch das Familienleben, er ist spät Vater geworden, hat er quasi nur am Rande, vor allem an den Wochenenden, mitbekommen. Er müsse nun erst mal seine Rente aktiv planen. Als Erklärung muss gesagt werden, dass der Kollege in seiner Funktion Unternehmensstandorte in mehreren Bundesländern zu betreuen hatte und dadurch viel Zeit im Auto verbracht hat. Gesundheitlich war er auf Grund der hohen Belastung häufig stark angeschlagen.
Seine Schilderungen haben mich berührt und ließen mich nicht los. Heißt es in Kalendersprüchen nicht häufig: „Jeder ist seines Glückes Schmied!“? Wie war das bei meinem Kollegen? Musste er diesen Job machen? Hat er sich bewusst dafür entschieden und die privaten Einschränkungen billigend in Kauf genommen? War er damit glücklich? Sicherlich haben sich „die Zeiten“ in den letzten 20 Jahren stark geändert, vor allem in Hinblick auf die vielen Möglichkeiten, die sich bieten. Persönlich denke ich, dass ein Mensch viele Kriterien abwägt, bevor er eine Entscheidung trifft.
Bei einem späteren Treffen, ca. nach einem Jahr Ruhestand, hat mir der Kollege jedoch in einem traurigen Ton mitgeteilt, dass er inzwischen sehr wenig von den alten Kollegen hört bzw. diese sich teilweise gar nicht mehr bei ihm melden. Er klang enttäuscht. Enttäuscht, dass man ihn so schnell vergessen konnte, aber auch enttäuscht, dass er sich damals entschieden hatte, seine private Zeit in einem großen Umfang dem Unternehmen zur Verfügung zu stellen. Und nun fühlt er sich trotz seiner Opfer schnell vergessen. Haben Sie so etwas auch schon erlebt? Das ist sicherlich keine schöne Erfahrung.
Bis zu Rente muss man jedoch noch gar nicht schauen. Kürzlich hatte ich einen Klienten, der sich mit Angang 40 die Frage gestellt hat, was er wirklich wirklich noch arbeiten möchte. Geld, Status und Profitstreben reichten ihm einfach nicht mehr aus. In ihm regte sich die Stimme nach anderen Werten. In einem Coaching durfte ich ihn bei der Suche nach Antworten begleiten.
Der Begriff Encore Career beschreibt einen Trend zu einem möglichen alternativen Lebensabschnittskonzept. Dieses Phänomen wurde vor allem in den USA untersucht. Es geht im Folgenden darum, dass sich Menschen ab der Lebensmitte bis ins aktive Rentenalter eingehend mit der Frage beschäftigen, wie, was, wo und mit wem ich in Zukunft noch arbeiten will. Man spricht inzwischen vom Klassiker, dass Menschen ab ca. 40 Jahren sehr häufig ins Reflektieren und Hinterfragen kommen, was sie noch vom Arbeitsleben erwarten wollen. Der Karrierehöhepunkt war eventuell schon da. Die Leistungsbereitschaft lässt nach, denn nachweislich ist der Höhepunkt der persönlichen Leistung nicht mit 67 Jahren…
Das berühmt berüchtigte Gefühl im Hamsterrad zu stecken, zwingt den ein oder anderen zum Nachdenken. Ergebnis dieser Reflexionen sind häufig sich neu ergebende Motive, warum und was Jemand arbeiten möchte und ggf. sogar während der Rente ausüben möchte. Das Streben nach vermehrter Sinnerfüllung, der Wunsch etwas fürs Gemeinwohl zu tun, etwas bewirken zu können, die viele Berufs- und Lebenserfahrung nachhaltiger einbringen zu können oder der Wunsch, die Welt der nächsten Generation ein kleines bisschen besser zu hinterlassen.
Auf Grund dieser intrinsischen Motive ergeben sich neue Zweitkarrieren. Angestrebte Branchen oder Einsatzbereiche finden sich im Bildungssektor, im sozialen Bereich, in Gesundheits- und Nonprofit Organisationen, in Stiftungen, im kulturellen Bereich etc.
Selbstverständlich sind bei dem Aufbau dieser Encore Career einige persönliche Kriterien sehr ausschlaggebend und nicht zu vernachlässigen. Damit einhergehen auch Ängste, die es zu betrachten gilt. Das kann die persönliche wirtschaftliche Situation sein, das Thema der Altersdiskriminierung oder die Frage, ob die physische und mentale Fitness noch ausreichend ist.
Wie bereits erwähnt, kann ein Coaching eine wichtige Unterstützung in der Findungs- als auch Überleitungsphase unter Berücksichtigung der persönlichen Kriterien und Werte sein. An dieser Stelle kann ich Ihnen mitteilen, dass ich diesen Prozess ebenfalls bereits gegangen bin und fühle mich, obwohl ich noch nicht ganz angekommen bin, wesentlich glücklicher und näher bei mir. :-)
Sie dürfen mich gerne kontaktieren, wenn Sie Ihrer inneren Stimme folgen möchten und sich einen Sparringspartner wünschen.
Coaching richtet sich an gesunde Menschen und ersetzt keinen ärztlichen Rat und keine Psychotherapie.
Quellen: Henning von Vieregge / Penn Schoen Berland
Comments