Vor einiger Zeit kam ich ins Nachdenken, als ein Bekannter mir sagte, dass es eine Pflicht eines jeden Bürgers in einem demokratischen Land sei, täglich Nachrichten schauen zu müssen. Ist das wirklich so? Das habe ich mich lange gefragt. „Jein“, ist hier meine klare Antwort. Ja, es ist wichtig sich zu informieren, denn nur so kann ich mich an Regeln halten, die beschlossen wurden. Gerade während der Pandemie ändern sich Bestimmungen und Beschränkungen laufend, die für uns alle gelten und die wir befolgen sollten. Nein, ist die andere Antwort, es ist keine Pflicht bestimmte Nachrichten in einer vorgegebenen Frequenz konsumieren zu müssen. Warum ich zu dieser Aussage komme? Auch Nachrichtendienste sind profitorientiert und inzwischen sehr selektiv, um auf eine bestimmte Anzahl von Zuschauern/Zuhörern/Klicks zu kommen. Der Fokus liegt häufig nicht auf sachlicher Berichterstattung sondern auf wirtschaftlichem Wachstum, der sich z.B. durch reißerische Methoden ankurbeln lässt.
Mit diesem Beitrag möchte ich anregen, darüber nachzudenken, wie es wäre ein wenig über den (negativen) Effekt, den Berichterstattung auf uns haben kann, zu reflektieren, um so zu einer individuellen Bewertung zu kommen.
Angelehnt an Georg Pieper, Autor und Krisenpsychologe, erleben wir eine zunehmende Lebensangst. Die Gründe dafür sind sehr individuell, aber ein wichtiger Aspekt ist, dass wir uns immer weniger selbstwirksam erleben. Er führt hierfür unter anderem die Berichterstattung an. Sind wir mal ehrlich, wer versteht noch die weltpolitischen Zusammenhänge und welchen Einfluss wir als Individuum haben? Es kommt zu einer zunehmenden Unsicherheit durch diese sich verstärkende Komplexität. Nahezu täglich werden wir mit Katastrophen, Gewalttaten, politischen Unruhen und unglaublichem menschlichen Leid konfrontiert. Dies geschieht häufig über den Tag verteilt und immer wieder durch Online Ticker oder Nachrichten-Apps mit Push-Nachrichten, die uns quasi in dem Moment der Geschehnisse informieren. Dies ist eine Flut, die extrem schnelllebig ist, denn wer weiß heute schon was vor einer Woche war. Was nie fehlt sind die Todeszahlen der Opfer, doch wer hört schon gerne Todeszahlen. Dahinter steckt viel Leid, Leid das Angehörige erleben, was uns nicht nahe gehen soll, denn sofort kommt eine weitere Nachricht, auf die wir uns konzentrieren.
Statistisch gesehen haben offensichtlich die Gewalttaten nicht zugenommen, aber die Berichterstattung darüber sehr wohl. Inzwischen sind Videos, die Gewalttaten live aufzeichnen binnen Sekunden im Internet und jeder hat Zugriff auf das Leid. Seit geraumer Zeit frage ich mich, was der Zweck dahinter ist? Muss ich wirklich jedes Detail kennen? Die Situation der Opfer oder Leidtragenden verändert sich dadurch nicht. Aber mit mir macht das was. Fühle ich mich in dieser Welt noch sicher? Wem geht es gut, nach dem Schauen von Nachrichten und Spezialsendungen, welche leider allzu oft auf Halbwissen ausgestrahlt werden. Sendezeit ist teuer und wirklich tief ins Detail kann häufig nicht gegangen werden.
Das alles hinterlässt Spuren in unserem Gehirn. Es gibt Menschen, die sich dadurch in ständiger Bedrohung fühlen und deren Sicherheits- und Selbstkompetenzgefühl ins Schwanken gerät. Dass sich das mittel- bis langfristig auf das psychische Wohlbefinden auswirkt, ist nur eine logische Konsequenz.
Es erscheint vor allem auch wegen der aktuellen Lage durch die Corona Pandemie wichtig, einen guten Umgang mit Krisen zu finden und sich auf die eigenen Stärken zurückzubesinnen. Der erste Schritt sollte sein, die uns wirklich betreffenden Aufgaben anzugehen und das von uns fernhalten, was wir nicht beeinflussen können. Es ist für unsere Psyche nicht gut, sich jedes Problem aufzuhalsen und zu eigen zu machen, denn dabei werden die eigenen Kräfte schnell verbraucht.
Um auf den Anfang des Beitrages zurückzukommen. Natürlich sollten wir informiert sein, was auf der Welt passiert. Aber was wäre, wenn wir Nachrichten dosierter konsumieren oder sie gar am Abend vor dem Einschlafen mal nicht sehen. Ich habe jahrelang auf die traditionelle Berichterstattung verzichtet und es ging mir sehr gut damit. Ich hatte nicht mehr das Gefühl, dass mich die vielen Krisen und Katastrophen zu sehr belasten. Mir geht es an dieser Stelle nicht darum Egoismus zu propagieren oder eine Ignoranz gegenüber den Problemen von anderen Menschen zu entwickeln. Im Gegenteil: nur wenn ich meine persönlichen Kräfte bündele, kann ich sie viel effektiver einsetzen, wo es wirklich Sinn macht. Die Hilfe und Unterstützung für andere Menschen ist wichtig, vor allem für Betroffene und Hilfesuchende.
Der Umgang mit Krisen, insbesondere auch persönliche Krisen, lässt sich trainieren. Krisen können sehr unterschiedlich erlebt werden. Für die einen ist es eine Trennungssituation, die Erkenntnis in der Lebensmitte angekommen zu sein, eine Sinnkrise, eine schwere Krankheit, Verluste u.v.m. Je nach bereits vorhandener Krisenkompetenz kann mit externer Hilfe diese ausgebaut werden. Ob dies im Rahmen eines Coachings möglich ist, lässt sich an dieser Stelle nicht pauschal formulieren. Sehr gerne können wir dies in einem persönlichen Gespräch erörtern.
Ich freue mich auf Ihre Kontaktaufnahme.
Coaching richtet sich an gesunde Menschen und ersetzt keinen ärztlichen Rat und keine Psychotherapie.
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